Welcome to Paradise
Urlaub ist immer auch eine Expedition, eine Art Forschungsreise in die Tiefen der Tierwelt, wozu auch die höheren Spezies, die Menschen, zählen. Es sind die kleinen Beobachtungen, die Erkenntnisse, die im Gedächtnis bleiben, die erstaunlichen, die lustigen und die bewegenden. Dies ist das Logbuch vom Wissenschaftszentrum der Trinity.
5. Mai, Ankunft auf Martinique
Die körperliche Anpassung auf die neue Situation lässt sich schnell beobachten: der Schweiß rinnt in Bächen von der Stirn. Die erste Herausforderung, wird dagegen ohne größere Zwischenfälle gemeistert: Der Transport in einem Joghurtbecher zum Schiff. Unsere Körper akzeptieren das Schaukeln der Wellen schnell und unkompliziert und so gestaltet sich die erste Nacht erstaunlich ruhig.
6. Mai, Erkundung der Umgebung
Das Schiff wiegt sich sicher im Hafen. Der größte Teil der Expedition macht sich auf, um Fort-de-France, die Hauptstadt dieser Insel, zu erkunden. Schon auf dem Weg können wir unser Wissen vom Tierreich erweitern. Im seichten Wasser tummelt sich eine Gruppe bislang unbekannter Spezies. Sie kennzeichnen sich durch bunte Köpfe und einen gleichbleibend dicken, orangenen Schwanz, auf dem die Wesen zu sitzen scheinen. Bei näherer Betrachtung handelt es sich um Einheimische, die sich bestückt mit Styroporstangen und Neon- Badekappen durch Wassergymnastik trimmen.
7. Mai, Grand Anse D´Arlet
Wir haben noch nicht angelegt, da schieben sich kleine, ledrige Köpfe durch die glasklare Wasseroberfläche und mustern uns mit neugierigen Augen. In dieser Bucht muss man viel falsch machen, wenn man keine Wasserschildkröten zu Gesicht bekommt.
Zur näheren Betrachtung der Unterwasserwelt legen wir Flossen und Schwimmbrillen an. Die meiste Zeit schweben die Schildkröten grasend am Meeresboden. Effektiv stören lässt sich ihre greisenhafte Ruhe jedoch durch Körperkontakt. Die Tiere entfernen sich deutlich schneller von den Annäherungsversuchen, als man bei ihrem massiven Körper, dem herrschaftlichen Schild auf ihrem Rücken und den im Vergleich kleinen und dünnen Paddel-Extremitäten annehmen könnte. In einer Bucht mit feinem Sand unter den Füßen und Palmblättern über den Köpfen gleichen wir unseren in Schieflage geratenen Wasserhaushalt mit einem Rumpunsch aus. Die Regel: „Vor zwölf keinen Alkohol“ wird vor allem von den Bootsbesitzern Franz und Rainer an keinem der Tage unseres Aufenthalts eingehalten. Später erfahren wir, dass sie sich nicht an der karibischen, sondern der deutschen Zeit orientieren (sechs Stunden zurück!).
8. Mai, besser nicht anstrengen
Der Grad der Entspannung, den die Schiffsherren mittlerweile erreicht haben, wird uns so richtig klar, als Franz erklärt, dass er später zwar auch im Wasser plantschen möchte, aber erst einmal seine Pause beenden müsse. War doch für uns bislang das Schwimmen in karibischen Buchten, der Inbegriff einer perfekten Pause.
9. Mai, Jazzfestival auf St Lucia
Wir haben Glück. Unsere Forschungsreise bietet uns unverhoffte musikalische Abwechslung. Auf St Lucia ist Jazzfestival. Bekannte Größen und Hobby-Jammer tauchen die Insel in einen Wolke aus Trompeten-Sounds und tiefen rauchigen Stimmen. Auch wir mischen uns am Abend unter das feiernde Volk. Die Hitze bringt die Luft zum Flimmern, nur das Bier ist eiskalt. Wir lassen die unterschiedlichen Interpretationen von Jazz auf uns wirken und schauen neidisch auf die sich vom Rhythmus der Musik in Wellen scheinbar automatisch bewegenden Körper der Einheimischen.
10. Mai, Straßenfest
Rainer bestellt furchtlos Rum-Punsch mit Eiswürfeln an einem netten, aber simpel zusammengebastelten Straßenstand, in hygienisch unterirdischer Umgebung. Zu unserer Überraschung regiert unser Magen freundlich. Nur die Knoblauchsauce auf dem frisch gebratenen Fisch wird uns noch Tage begleiten.
11. Mai, humane Studien
Nach einem Tag am Strand spielen wir abends auf dem Boot „Mensch ärgere Dich nicht“. Bislang haben wir Franz als einen sanftmütigen und loyalen Teamspieler kennen gelernt. Das ändert sich schlagartig, als er die Würfel in die Hand nimmt. Franz wird zum Tier. Er nutzt alle Überlebensstrategien, die die Evolution für ihn bereithält und fegt seine Mitspieler wie Schmeißfliegen vom Brett. Vor allem Rainer leidet unter den scharfzüngigen Attacken und seine Truppen müssen sich immer wieder in das heimische Fort zurückziehen. Dort bereitet er sich insgeheim auf seinen Gegenschlag vor. Aus einem Gesellschaftsspiel wird das Spiel des (Über-) Lebens.
13. Mai, der Fall
Wir liegen mittlerweile in Soufriere, einem kleinen Fischer-Örtchen mit einfachen aber meist bunten Hütten auf dem Weg in den Süden der Insel. Nach einer kleinen Erkundungstour bei etwa 40 Grad im Schatten, treten wir den Heimweg Richtung Boot und Küstenwind an. Jonny steigt als erster in den hauseigenen Joghurtbecher, der uns zur Trinity bringen soll und verschwindet den Bruchteil einer Sekunde später im Hafenbecken. Es ist eine Weile her, dass wir Menschen uns von Ast zu Ast geschwungen haben. Komplizierte Balanceakte gehören schon lange nicht mehr zu unseren natürlichen Reaktionsmustern. Von Jonny ragt nur ein Arm aus dem Wasser. In seiner Hand hält er tapfer die Tasche mit unserem Forschungs-Equipment. Das Boot ist dagegen komplett vollgelaufen. Die einheimische Jugend reicht laut lachend einen Eimer, mit dem Jonny das Boot ausschöpft.
Da ein Joghurtbecher selbst für eine kurze Tauchfahrt nur schwer geeignet ist, springt der Motor auch nach mehrmaligen Startversuchen nicht an. Skipper Rainer rudert das Beiboot zum Strand, wo ein Mechaniker mit einem Werkzeugkoffer wartet. Ohne Worte aber mit sicheren Handgriffen, bringt „Dr. Yamaha“ den Motor in nicht einmal einer Stunde wieder zum Laufen.
14. Mai, findet Nemo
Dieser Halt war ein Glücksgriff – eine kleine, ruhige Bucht, Einheimische in Kajaks, die mit dem allmorgendlichen „Welcome to Paradise“ auf ihre Waren aufmerksam machen und schönstes Wetter. Das Beste befindet sich jedoch ein Stockwerk tiefer. Direkt unter uns wimmelt es von bunten Fischen, als hätten wir in einem Aquarium gehalten.
15. Mai
Bevor es für uns nach Hause geht, gönnen wir uns einen weiteren Strandtag in einer einsamen Bucht. Der Sand ist übersäht von kleinen durchsichtigen Steinchen, die wir mit geschultem Auge sofort als Diamanten identifizieren und eifrig in einem ausgebeulten Blatt sammeln.
Zwei Windstöße später haben sich unsere Schätze wieder über den Strand verteilt. Wir hatten gehofft, wir könnten damit unsere nächste Reise bezahlen. Aber so beenden wir unsere Forschungsaufenthalt jetzt und kehren zurück in den Alltag, um das Geld für die nächsten Abenteuer zu verdienen. Wahrscheinlich waren es ohnehin nur Glassplitter….
Dies ist das Logbuch der Trinity, geschrieben von Jonny und Nicole, auf ihrer Expedition durch die Karibik. Die Wochen auf See waren spannend, lehrreich, manchmal verdammt warm aber immer wunderschön. Vielen Dank an die Mannschaft, Rainer (Papa) und Franz, Ihr habt für eine unvergessliche Zeit gesorgt.